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Zeichnen zur Zeit · von Reinhard Ermen · S. 190 - 193
Zeichnen zur Zeit , 2018

Daniel Göttin

Daniel Göttin zeichnet mit Klebeband. Mit einer englischen Vokabel lässt sich sofort mediale Selbstverständlichkeit herstellen: Tapedrawing. Das Band macht, gelegentlich ließe sich auch sagen, es ‚malt’ die Linien. Diese Zeichnung findet vornehmlich im Raum statt, das ist eine installative Kunst die sich allerdings nicht aufdrängt, manchmal ist sie auf den ersten Blick gar nicht zu sehen, so haben sich die Linien in situ eingefunden, als Akzentuierung von Raum und Tiefe. Es kommt zu „Annährungen“ oder „Frames“, wobei Göttin das Band gerne an gegebenen Wandvorsprüngen, konstruktiven Rippen oder einfach nur an den architektonischen Angelpunkten entlangführt. Dann wird aus der Unterstreichung des Gegebenen, bzw. Gebauten schon mal eine Verdeutlichung von proportionalen Mängeln, die mit dem linearen Eingriff irgendwie auch repariert wird; vorläufig, denn der installative Eingriff ist oft genug temporär. „Der Raum als Raum steht im Zentrum“, sagt Konrad Tobler. Trotz der mit dieser Einschätzung einhergehenden Absolutheit erscheint ein schmaler Grat zwischen angewandter und freier Kunst als ein spannungstragendes Moment. Göttin schafft auf den ihm zur Verfügung stehenden Wänden zuweilen freie, aber letztlich definierte Flächen, die dann andere bespielen. Er nimmt Zuweisungen vor, ja er schafft Displays, um einen modernen Allerweltsbegriff zu nutzen. Regiert er den Raum oder reagiert er auf den Raum? Der nur mit wenigen Strichen gefüllte Ort einer solchen Zuweisung, gibt sich gleichzeitig selbstbewusst autonom. „There must be an easy way“, sagt kurz vor seinem Tod Fred Sandback im Gespräch zu Daniel Göttin. Der Amerikaner trifft damit auch einen Kerngedanken des Schweizers. Es geht um unverstellte, essentielle Lösungen…

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