Rainer Metzger: Relektüren
Folge 32
Michel de Certeau, Kunst des Handelns, übersetzt von Ronald Voullié, Berlin: Merve 1988 im französischen Original: L’invention du quotidien 1. Arts de faire, Paris 1980
In Helmut Böttigers schönem Buch über die Gruppe 47 findet sich eine Passage über die speziellen Feuilleton-Erfolge, die Hans Magnus Enzensberger im Gegensatz zu seinen Kollegen vom Großschriftstellertum nie velassen haben. Was ist sein Geheimnis? 1976 erteilt Enzensberger diese Erklärung: „Ich halte das ja aus taktischen Gründen für viel besser, wenn man Reaktionen herausfordert statt selbst zu reagieren. Das heißt also: die Veteidigung, die Defensive ist immer schlecht.“ 23 Jahre später, 1999, gibt er diesbezüglich folgendes zu Protokoll: „Erstens mal ist es natürlich so, die strategische Regel ist: nie reagieren…. Es ist immer günstiger, wenn die anderen auf einen reagieren, als wenn man auf die anderen reagiert.“ (zitiert nach Helmut Böttiger, Die Gruppe 47, München 2012, S. 357). Enzensbergers offenbar ganz treffliche Maßnahmen, aktiv statt passiv zu Werke zu gehen, sind die gleichen geblieben. Allerdings hat sich der Terminus geändert: In jüngeren Jahren nennt er sein Verfahren „Taktik“, später nennt er es „Strategie“.
Zwischen diesen beiden Statements war im Jahr 1980 auf französisch und dann 1988 auf deutsch ein Buch Michel de Certeaus herausgekommen, das auf die Unterscheidung, die Enzensberger ganz dezidiert traf, schon großen Wert gelegt hatte. „Kunst des Handelns“ war, darauf weist sein allererster Satz hin, „dem gemeinen Mann gewidmet“, seiner Fähigkeit zu wildern auf den Terrains des täglichen Daseins, subversiv zu sein in den Allerweltstätigkeiten von Einkaufen, Umhergehen, Lesen. Den…
