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Titel: 53. Biennale Venedig · von Michael Hübl · S. 170 - 173
Titel: 53. Biennale Venedig , 2009

Michael Hübl
Die trojanische Katze

Deutschland: Liam Gillick

Welch ein Glück: ein Brite, Jahrgang 1964. Geboren, als die Beatles gerade begannen, das Lebensgefühl und die Jugendkultur aufzumischen. Endlich einer, der unbefangen und ohne Vorbelastung an die Sache herangehen kann – derlei Reaktionen löste die Nachricht aus, dass Liam Gillick die Bundesrepublik Deutschland auf der Biennale vertreten werde. Ist doch kein Pavillon auf dem Gelände der internationalen Kunstausstellung derart oft mit seiner Vergangenheit konfrontiert worden wie der deutsche. Wieder und wieder haben Künstler mit ihren Beiträgen geschichtsbezogene Tiefenbohrungen vorgenommen. Joseph Beuys vollzog sie real und symbolisch, indem er 1976 für seine Installation „Straßenbahnhaltestelle / Tramstop / Fermata del Tram, 1961-1976, A Monument to the Future“ ein Rohr hinab zum Wasserspiegel der Lagune treiben ließ; neben den anderen Elementen, insbesondere einem deformierten Stück Schiene, ließ sich der Schutt, der bei dem Bohrloch lag, als Hinweis auf die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs lesen – auch wenn Beuys den historischen Horizont weit über das Tausendjährige Reich hinaus gespannt hatte. Am deutlichsten wurde später Hans Haacke, als er 1993 (inzwischen war der Biennale-Turnus von den geraden Jahren auf die ungeraden umgestellt worden) den deutschen Pavillon unter dem Titel „Germania“ in ein teutonisches Trümmerfeld verwandelte – mit einem Foto, das an Adolf Hitlers Biennale-Auftritt 1934 erinnerte, und mit der vergrößerten Nachbildung einer 1-D-Mark-Münze, die sich als Hinweis auf post-faschistische Kontinuitäten auffassen ließ. Selbst Gregor Schneiders „Totes Haus u r“, wiewohl 2001 als labyrinthische Raumkapsel und psychodynamisch aufgeladenes Gedenkgehäuse für ein Allerweltsleben errichtet, deutete…


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