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Titel: 51. Biennale Venedig · von Michael Hübl · S. 40 - 51
Titel: 51. Biennale Venedig , 2005

Michael Hübl
Caligula, die Lire und das Referendum

Wie die gesellschaftliche und ideologische Realität in die 51. Biennale di Venezia hineinwirkt

Wenn es stimmt, dass sich im Kleinen das Große – eine allgemeine Tendenz, eine Entwicklung – abzeichnet, dann war Venedig im Juni 2005 voll mit semantischen Anhaltspunkten. Die Stadt rüstet auf. Im Bauwesen: Allenthalben Handwerker, die Mauerritzen verfugen oder Putz ausbessern. Pierre Cardin will in der Nähe seines venezianischen Wohnsitzes, der Ca’ Bragadin, einen Straßendurchgang sanieren lassen, der zu einer Müllkippe und einem Rattenloch verkommen ist 1. In der Fischerei: Die Muschelzucht soll systematisiert und kontrolliert werden, denn die ‘vongole’ (Venusmuscheln, Tapes philippinarum) sind in Verruf geraten, der Umsatz ist eingebrochen, seit sich herumgesprochen hat, dass sie auch in den verbotenen Zonen der industrieverseuchten Gewässer von Porto Marghera geerntet werden und entsprechend hoch mit Schwermetallen belastet sind 2. In der Infrastruktur: Die hölzernen ‘brìcole’, wie die Venezianer die Anlegepfähle in der Lagune nennen, sollen durch Stahlrohre ersetzt werden, die mit Polyurethan überzogen, mithin haltbarer, sicherer und kostengünstiger sind als die traditionellen Pfähle aus Akazie, Lärche, Eiche oder Kastanie. Die leicht verwitterte Holzstruktur wird in Plastik imitiert 3.

Was steht hinter diesen Maßnahmen? Sind sie Zeichen eines Aufbruchs? Oder Ausdruck von Hilflosigkeit: Man ahnt die Katastrophe und flüchtet sich in Kosmetik? Immerhin fällt auf, dass die 51. Biennale di Venezia – bei aller professionellen Gelassenheit in den Giardini oder im Arsenale – in einem extrem angespannten gesellschaftlichen Klima eröffnet wurde. In einem Klima zwischen Populismus und Kulturkampf, beherrscht von zwei Themen. Nummer…


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