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Titel: Ästhetik des Reisens · von Joshua Decter · S. 172 - 173
Titel: Ästhetik des Reisens , 1997

Joshua Decter
Taking it on the road

Hier in den USA könnten wir sie vielleicht “R.V.-Kunst” nennen. Was ist “R.V.-Kunst”? Unter dieser Bezeichnung gibt es sie natürlich derzeit noch nicht. Es handelt sich lediglich um eine Floskel – eher eine vorläufige Kategorie künstlerischer Tätigkeit -, die ich gerade erfunden habe. R.V. ist die “umgangssprachliche Abkürzung für “Recreational Vehicle”, für eines dieser der Erholung dienenden Freizeit- und Ferienmobile also, die entweder keinen eigenen Motor haben (und deshalb an einen Wagen angehängt werden) oder eigentlich zu der Art vollausgerüsteter Wohnmobile gehören – so etwas wie Mini-Karawans oder kleine Busse, die über Betten, Küche und andere Annehmlichkeiten des Haushalts verfügen. Solche Fahrzeuge ermöglichen die tatsächliche und symbolische Erweiterung des häuslichen Raums (oder besser des Wohnsitzes selbst, der Familienzelle) auf die Geometrie der endlosen Geraden der Straßen.

Es dürfte deshalb wohl nicht überraschen, wenn man hört, daß Andrea Zittel für ein Projekt im Rahmen einer im vergangenen Herbst organisierten Ausstellung im Museum of Modern Art in San Francisco drei funktionierende Wohnanhänger im klassischen amerikanischen Stil (d.h. im Stromlinien-Design) entworfen und angefertigt hat. Die drei Fahrzeuge wurden in Süd-Kalifornien hergestellt und dann nordwärts nach San Francisco zur Ausstellungseröffnung gefahren. Dabei wurde die Reise auf der Straße gleichzeitig zur “Kunst”, auch wenn die “Kunst” dadurch in den Bereich automotiver Gebrauchs-Ästhetik eingetreten ist. Für Zittel war dies natürlich eine Gelegenheit, ihren bereits hybriden Stil – eine Mischung aus Skulptur, Innendesign, Malerei, Raumausstattung und Architektur – zu einem deutlicher an Nützlichkeit orientierten “High-Style” fortzuentwickeln. Doch solche Fahrzeuge bilden heute den…


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