vorheriger
Artikel
nächster
Artikel
Ausstellungen: Köln · S. 232 - 234
Ausstellungen: Köln , 1988

Jürgen Raap
Hohe und niedere Fotografie

Künstlerhaus Rhenania, Köln 17.9.-11.10.1988

Wacklige Eisenstiegen, die in die verstaubten Innenräume einer ehemaligen Speicherhalle im Kölner Rheinhafen führen: Die verrottete Docker-Atmosphäre paßt vorzüglich zu dem Underground-touch, mit dem neun Fotokünstler der “gelackten photokina-Ästhetik” (Annette Frick) inhaltsbezogene Experimente entgegensetzen. Auf den ersten Blick wirkt manches als punkig-kritische Antwort auf die affirmativen Tendenzen der Pop-art, da wird triviales Bildmaterial nicht einfach nur als anti-bildungsbürgerliche Provokation herausgeschleudert, sondern auf die ursprünglichen sozialen Bezüge seiner Entstehung und seiner Verwendung bezogen: Wilhelm Heins xerografische Vergrößerungen von Titelbildern französischer Kriegslegenden-Groschenromanen (à la “Der Landser”) mit den heroisch-tumben Soldatengesichtern strömen jene Vorstadtmiefigkeit aus, die an trüben Samstagnachmittagen dort nur mit jener Lektüre erträglich gewesen sein mochte, bevor es Videoshops gab.

Auch der zweite Beitrag von Wilhelm Hein, zusammen mit seiner Gattin Birgit, thematisiert die Lower-class-Ideologie: Inhalte von B-Movies. Die Installation aus großformatigen Fotosequenzen mit verwaschenem Zelluloid-Effekt (“Ich spucke auf dein Grab”, 1987) besteht ausschließlich aus Bildern von Horror-Videos mit Frauenopfern: sexualpathologische Extremität bis zum Mord. In den USA wurden solche Filme eine Zeitlang nur in speziellen Clubs vorgeführt, bis die Behörden einschritten, da der Verdacht aufkam, hier seien tatsächliche Tötungsrituale abgefilmt worden. An den Einzeleinstellungen ließ sich freilich ablesen, daß es sich nur um äußerst realistische schauspielerische Darbietungen handelte. Vielleicht liegt es an der Rahmung und an der akkuraten pseudo-musealen Präsentation, vielleicht auch am Format, daß diese Bilder in der Hein-Installation völlig harmlos wirken, so wie die Kino-Fotos im Eingangsfoyer des Ufa-Palastes, der gerade eine Familienkomödie zeigt. Vielleicht ist auch gerade diese geglättete Beiläufigkeit…


Kostenfrei anmelden und weiterlesen:

  • 3 Artikel aus dem Archiv und regelmäßig viele weitere Artikel kostenfrei lesen
  • Den KUNSTFORUM-Newsletter erhalten: Artikelempfehlungen, wöchentlichen Kunstnachrichten, besonderen Angeboten uvm, jederzeit abbestellbar
  • Exklusive Merklisten-Funktion nutzen
  • dauerhaft kostenfrei