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Essay · von Georg Jappe · S. 74 - 76
Essay , 1973

GEORG JAPPE
Die Krise sind wir.

Schau dich nicht um, der Mißmut geht um: die Künstler lahm, die Ausstellungsleiter müde, die Kunsthändler mürrisch, die Kunstverleger trüb, die Kritiker mäkelnd, die Sammler stumm. Vorjahren, da wollten die Künstler in die Gesellschaft eingreifen; jetzt interessieren sie sich für Okkultismus. Eine ‘Düsseldorfer Szene’ wie 1970 in Edinburgh, das wäre heute nicht mehr möglich: man hat sich auf Bauernhöfe zurückgezogen oder filmt in London oder macht Theater in Berlin. Szeemann weiß nicht recht, was tun, Leering hat die Sache hingeworfen, Ruhrberg, Gallwitz, Schmied haben sich auf ruhige Posten zurückgezogen. Es gibt heute keinen Kunstmanager in Deutschland, behauptet einer von ihnen, der die Kunst noch leiden kann. Die Stimmung am letzten Abend auf dem Kölner Kunstmarkt und der IKI – trostloser ging’s nicht. Die neue Europäische Kunsthändler-Vereinigung spricht nicht mehr von Information und Aufklärung, sondern von Fachhandel. Sämtliche bisher kursierenden documenta-Pläne rücken von der individuellen, namentlichen Kunst ab. Die Theoretiker beließen es bei der Erkenntnis, daß dem Bilderrausch nun ästhetische Theorien zu folgen hätten, um den Existenzbeweis der Kunst zu führen. Und die Sammler öffnen ihre Safes und verkloppen en gros oder verwandeln Schweizer Konten in expressionistische Gemälde.

Gewiß, jeder hat seine triftigen persönlichen Gründe. Dieser Ausstellungsleiter sieht im Ein-Mann-Betrieb seine Gesundheit zerrieben zwischen der Uneinsichtigkeit der Ämter und der Linken, jener Sammler sieht nicht ein, warum er sich bei öffentlichen Leihgaben auch noch als ‘Ausbeuter’ beschimpfen lassen soll; der eine Galerist weiß nicht, wovon er nächsten Monat die Miete bezahlen soll, der andere Künstler weiß nicht,…


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