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Relektüren · von Rainer Metzger · S. 338 - 339
Relektüren , 2015

Rainer Metzger: Relektüren

Folge 34
Alexander Mitscherlich, Die Unwirtlichkeit unserer Städte,

Frankfurt: Suhrkamp 1965; Nachdruck Frankfurt: Suhrkamp 2008

Im Jahr 1967, zu absehbar turbulenten Zeiten, trug sich das Ehepaar Alexander und Margarete Mitscherlich mit dem Plan, nach Frankfurt zu ziehen. Er hatte dort 1960 das Sigmund-Freud-Insitut gegründet und leitete es seither, sie würde fortan ebenfalls dort arbeiten. In diesem Jahr 1967 werden sie gemeinsam ein Buch publizieren, das den prekären Status der zu Wohlstand gekommenen Bundesrepublik in Hinblick auf eine nicht so ganz wohlanständige Vergangenheit auf den Begriff bringt: „Die Unfähigkeit zu trauern“. Bis dato hatte man in Heidelberg gelebt, des Pendlerdaseins überdrüssig suchte man nun in der Hauptstadt der Frankfurter Schule eine Wohngelegenheit.

Das war gar nicht so einfach. Zunächst war an ein Haus am Rand des Stadtwaldes gedacht, doch die Einfamilien-Herrlichkeit musste einem Psychoanalytiker-Paar, deren Mentor von jeher die Verwandtschaft des Heimeligen mit dem Unheimlichen beschworen hatte, schnell verdächtig vorkommen. Es dauerte ein Jahr mit der Entscheidungsfindung, 1968 bezog man schließlich eine ganz andere Form von Wohnung, sie war erhoben und womöglich sogar erhaben, denn sie bestand aus einem Penthouse. Im obersten, dem 19. Stock eines Hochhauses in Frankfurt-Höchst sollte das Paar bis zum Jahr 1979 logieren, in Splendid Isolation über nicht weniger als 170 Ein- bis Vier-Zimmer-Appartments, mit denen man nichts zu tun haben brauchte, denn es gab einen Lift, der ohne Halt von der Tiefgarage bis in den Olymp durchfuhr. Sollte man es auf Realitätsnähe angelegt haben, so war der Wirklichkeitsbezug, von dem in dieser Zeit, angeleitet nicht zuletzt von…


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