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Ausstellungen: Baden-Baden · von Michael Hübl · S. 349 - 352
Ausstellungen: Baden-Baden , 2010

Michael Hübl
Stefan Müller

»Hang zur Neigung«
Staatliche Kunsthalle Baden-Baden, 27.3. – 24.5.2010

Ein Paradoxon sagt oft mehr als 1000 Worte: „Flüssige Handschellen“ (2010) hat Stefan Müller eine seiner jüngsten Arbeiten genannt. Ein Blick auf das Bild, und es ist klar, was Müller meint: Dort ist die Fläche großenteils bedeckt mit ellipsoiden Doppelformen, die durchaus Assoziationen an die polizeitauglichen und krimi-affinen Gelenkfesseln zulassen. Nur, dass sie ungewöhnlich bunt sind und aussehen, als würden die Rotationskräfte futuristischer Dynamik nachwirken oder psychodelische Visionen der Flower-Power-Generation neu aufleuchten. Doch sowohl die italienische Avantgarde aus der Zeit um den Ersten Weltkrieg, als auch die freiheitsbegeisterten, Pop-beseelten Sixties sind für Müller, den knapp Vierzigjährigen, Geschichte. Und so beschäftigt ihn vor allem die Frage, ob und wie es nach den ästhetischen Erfahrungen des 20. Jahrhunderts möglich sei, als Maler zu agieren und Malerei zu betreiben. Mit dem widersprüchlichen Bildtitel zeigt er, wo es ´lang geht: Einem Maler sind heute in nichts die Hände gebunden, und er kann sämtliche Möglichkeiten von der präzisen Setzung bis zur informellen Entfesselung anwenden.

Zugleich freilich bleibt der Maler eingebunden in das Geflecht der Argumente und Gegenargumente, wie sie insbesondere aus einem linearen, hegelianisch geprägten Verständnis der Kunstentwicklung resultieren. Wenn nämlich die bildende Kunst ihre höchste Stufe darin erreicht, dass sie sich ihrer materiellen Bedingtheit weitestgehend entledigt, dann hätte sie in der Minimal Art und ihrer Konzeptkunst durch deren Knappheit und Nähe zur Philosophie ihre Vervollkommnung gefunden. Dann wäre auch die Rückkehr zur Malerei, entwicklungsgeschichtlich betrachtet, ein Rückschritt. Das hat die Künstler nicht daran…



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