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Ausstellungen: Prag · von Marius Babias · S. 366 - 368
Ausstellungen: Prag , 1997

Marius Babias
Pro Lidice

Haus zur Schwarzen Mutter Gottes, Prag, 9.3. – 6.4.1997

Marek Vesely ist 25 Jahre alt, stellvertretender Bürgermeister von Lidice und im Hauptberuf Lehrer für Mathematik und Physik in Kladno, einer grauen Industriestadt nahe Prag. Er kam als 473. Bürger des neuen Lidice zur Welt, erzählt Vesely. Exakt 473 Einwohner hat das alte Lidice gehabt, als die SS das Dorf 1942 dem Erdboden gleichmachte, alle Männer an Ort und Stelle erschoß, alle Frauen ins KZ Theresienstadt deportierte, alle Kinder verschleppte, die als “eindeutschungsfähig” eingestuften sogar bis nach Deutschland. Die von Hitler befohlene Vergeltungsmaßnahme für das Attentat tschechischer Widerständskämpfer auf Reichsprotektor Reinhard Heidrich ist eine schizoide Fallstudie der Nazi-Gewaltherrschaft. Die deutsche Gründlichkeit hieß das Werkzeug. Die Ermordung der Dorfbewohner genügte nicht. Lidice sollte der Zivilisation entrissen, in die Vorzeit zurückgezwungen werden. Die Häuser wurden in Brand gesteckt, die Ruinen gesprengt, die Grundmauern abgetragen, Kirche und Friedhof ausgeraubt und umgepflügt. Auf das planierte Gelände streute die SS Ackerboden. Noch im gleichen Jahr 1942 benannten sich Dörfer in den USA, in Mexiko, Peru, Brasilien und Panama aus Solidarität in Lidice um. Nach dem Krieg wurde das Massengrab schnell entdeckt. Dort hatte sich der wilde Weizen verfärbt.

143 Frauen und 27 Kinder überlebten, kehrten zurück und bauten das neue Lidice auf, darunter Marek Veselys Urgroßmutter. Das Tal liegt friedlich da, ein plätschernder Bach verstärkt die Stille. An der Stelle des Massengrabs wachsen Blumen. Die Gedenkstätte ist schlicht und wirkungsvoll. Nichts als ein Gedenkstein, ein paar Grundmauern, ein Bronze-Ensemble für 88 umgekommene Kinder. Der Grundriß…


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