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Magazin: Publikationen · von Ingo Arend · S. 465 - 465
Magazin: Publikationen , 1995

Kultur der inszenierten Bilder

Schlimmer als die künstlichen, schlimmer als die gefälschten sind die gestellten Bilder. So müßte man wohl zusammenfassen, was Stefan Müller-Doohm, Professor für Interaktionstheorien an der Universität Oldenburg, und Klaus Neumann-Braun, Professor für Familien-, Jugend- und Kommunikationssoziologie an der Universität Frankfurt, in dem Bändchen zu einem verbreiteten kultursoziologischen Phänomen beschreiben lassen. Viel weiter verbreitet als die synthetischen, gepixelten Bilder und die digitalen Fälschungen, die den prinzipiellen Unterschied zwischen Realität und Abbild unbestimmbar und damit nach verbreiteter Ansicht Ideologiekritik unmöglich werden lassen, sind die Tableaus sozialer und kultureller Inszenierungen im Alltag unserer Erlebnisgesellschaft. Also das, was man Bilder mit unbestimmtem Realitätsstatus nennen könnte. Den Autoren geht es weniger um eine Verteufelung sozialer Inszenierungen. Die halten sie für eine normale Form “menschlicher Selbstauslegung”. Sondern sie wollen mit ihrem Kompendium das kritische Bewußtsein für das Phänomen schärfen und so zur “Erhellung aktueller Inszenierungspraxis” beitragen und ihre Logik aufdecken.

Die Liste der Beispiele ist lang und beginnt bei den inszenierten Pseudo-Ereignissen der Fernsehnachrichten. So wird die Landung der deutschen Bundeswehr-einheiten in Somalia als aufschlußreiches Beispiel dafür aufgeführt, wie man mit realen, aber gestellten Bildern von Zivilität und Individualität des Vorgangs (kaugummikauende Soldaten, Handschlag zwischen alliierten Führern) den gesellschaftspolitischen Sprengstoff, den der Einsatz birgt, entschärfen kann. Die Streitkultur in den kommerziellen Fernsehshows wie “Heißer Stuhl” mit emotional aufgeputschten Zuschauern dient nur der Meinungsverhärtung und der Kreation des schlichtenden Moderators als dem Problem selbst. In dem Film “Basic Instincts” gelang es mit dem geschickten Einsatz einer latenten Bedeutungsebene die Bilder des konservativen Antifeminismus in den…

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