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Titel: Documenta IX · von Beat Wyss · S. 121 - 126
Titel: Documenta IX , 1992

BEAT WYSS
Ein Druckfehler

PANOFSKY VERSUS NEWMAN – VERPASSTE CHANCEN EINES DIALOGS

Panofskys Bekanntschaft mit aktueller Kunst war kurz, heftig und endgültig in ihrem Verstummen. Sie begann mit einem Zufall. Im Februarheft der New Yorker Kunstzeitschrift ARTNews von 1961 war eine Besprechung seines Renaissance-Buchs erschienen. Diesem Sachverhalt ist es zu verdanken – oder besser: anzulasten -, daß Panofsky ein Heft in die Hand nahm, das ein Sprachrohr der neuesten Tendenzen in der amerikanischen Gegenwartskunst ist. Panofsky war offenbar so verblüfft von dieser Zuwendung von unerwarteter Seite, daß er einen Leserbrief schrieb, in dem er sich für die Rezension bedankte. Dieser wurde im Aprilheft gedruckt. Doch der alte Herr von Princeton erwiderte nicht nur sein Geschmeicheltsein, er hatte auch den Rotstift gezückt. »I find it increasingly hard to keep up with contemporary art«, bekennt er freimütig und gibt den aktuellen Grund an: ein Druckfehler im Artikel über Colourfield Painting, der im gleichen Heft erschienen war wie die Rezension seines Buchs. Panofsky brauchte den Text des jungen Kunstkritikers Robert Rosenblum nicht einmal zu lesen, um seine überlegenen Lateinkenntnisse offensiv anzuwenden: »Vir Heroicus Sublimus« prangte als Legende über einer Abbildung von Barnett Newmans also betiteltem Werk. Panofsky mochte sich in seinen Vorurteilen über die Künstler der Gegenwart vollauf bestätigt sehen und holte mit bissiger Ironie gegen Newman aus: »I find myself confronted with three different interpretations of the curious form ‘Sublimus’: Does Mr. Newman imply, that he, as Aelfric says of God, is ‘above grammar’; or is it a misprint; or is it plain illiteracy?…


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