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Titel: Malerei - Radikale Malerei · S. 170 - 176
Titel: Malerei - Radikale Malerei , 1987

Stephen Bann
Brice Marden:

Vom Materiellen zum Immateriellen

Nach einem Rundgang durch das Stedelijk-Museum in Amsterdam vor zwei Jahren habe ich mir eine Ansichtskarte von Brice Mardens »Morada I« (1976) gekauft, die sich seitdem in meinem Besitz befindet. Zweifellos haben schon viele Museumsbesucher am Ende ihres Museumsbesuches vor demselben Problem gestanden: ob sie sich nun eine Ansichtskarte bzw. ein Farbdia kaufen sollen oder nicht. Sollte man dieses einmalige Erlebnis der Begegnung mit einem einzelnen Werk auflösen in ein immer wiederholbares Erlebnis – aber um was für ein Erlebnis handelt es sich denn dabei eigentlich genau? Offensichtlich regten sich bei mir Bedenken dieser Art schon sehr bald nach dem Erwerb meiner Reproduktion von »Morada I«. Inzwischen trägt nämlich die so angenehm unbedruckte Fläche der Karte folgende, während eines letzten Rückblicks auf das Objekt selbst, hingekritzelte Bemerkung: »zu grün / zu hell / in Wirklichkeit grau / Holzkohlen-Matt«. Dieses kleine Rechteck einer weißen Kunstkarte entsprach nämlich nur annäherungsweise den Farbwerten der einzelnen Tafeln von »Morada I«. Und es entsprach ebenfalls bloß annäherungsweise dem Umstand, daß diese Arbeit ja tatsächlich aus vier voneinander unterschiedenen Elementen bestand. Die gleichmäßige Oberfläche der Glanzkarte mit ihren deutlichen Grenzlinien konnte die feine Passung der vier nebeneinandergestellten Tafeln in keiner Weise vermitteln, sowenig wie sie die völlige Undurchlässigkeit von deren Oberfläche zu erkennen gab. Man konnte in diesem Fall nicht von gegenseitiger Ergänzung zwischen Original und Reproduktion oder etwa einem Wettbewerb zwischen ihnen sprechen; es herrschte tatsächlich ein Gegensatz. Die hervorstechenden Merkmale nämlich, die in dem Werk ‘Morada I’ in…


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